Sonntag, 7. November 2010

Mülltrennung


Nach mehreren Wochen hier war ich davon überzeugt, dass ich den Ablauf der Mülltrennung grob verstanden hatte. Doch diese Woche kam ein kleiner japanischer Mann auf mich zu, sprach ein paar japanische Sätze und führte mich zu einer Informationstafel auf der angegeben ist wann welcher Müll abgeholt wird. Obwohl mir klar war was da auf der Tafel stand, beharrte der kleine japanische Mann darauf, dass ich mir die Tafel noch einmal ganz genau ansah. Inzwischen kann ich auf Japanisch ein sehr überzeugendes „Ach so ist das“ mit der nötigen Gestik untermalt ausdrücken und setzte diese Fähigkeit auch umgehend ein.
Der ungläubige Ausdruck im Gesicht des Japaners verriet mir jedoch, dass ich entweder an der Betonung, an der Gestik oder an beidem noch üben musste.
Der Japaner begleitete mich zu meiner Haustür.
Da er auch wusste, dass neben mir ein Engländer wohnt, vermutete ich, dass der kleine Mann mein Hausverwalter sei.  Er deutete auf die Tür des Engländers und machte mir klar, dass ich diesen ansprechen solle wenn ich etwas nicht verstehe.
Als ich auf seine Frage, ob ich auch Engländer sei antwortete, dass ich Deutscher sei, lächelte er mich an, verschränkte beide Hände ineinander und untermauerte damit seine Worte, dass unsere Länder eine sehr gute Freundschaft verbindet. Ich nickte und bedankte mich bevor ich wieder in meine Wohnung ging. Dort studierte ich erneut die Regelung zur Mülltrennung.

Anleitung zur Mülltrennung


Ich erinnerte mich, dass ich schon so manches Mal den morgens raus gestellten Müll am Abend wieder mit in meine Wohnung nehmen musste. Irgendwas hatte ich wieder falsch gemacht. Einmal klebte ein Aufkleber drauf, den ich mir in der Schule von meiner Lehrerin übersetzen ließ: „Heute ist PET-Flaschen Tag!“.
Der Müll häufte sich in meiner Wohnung und die Angst irgendwann im Müll in meiner Wohnung zu verenden wurde zu groß. Als dann auch meine vorschriftsmäßig zerschnittenen und gebündelten Kartons nicht abgeholt wurden und mein Nachbar mir erklärte es läge wahrscheinlich an der benutzten Plastikschnur, war ich dem Wahnsinn sehr nahe.

Meine geschnürrten und zerschnittenen Kartons
 
Ich riss mich zusammen und durchdrang das System. Bis zu meiner Bekanntschaft mit dem kleinen japanischen Hausverwalter hatte ich mir auch keine Gedanken gemacht. Aber jetzt steigert sich die Angst wieder, dass der Müll eines Tages nicht mehr abgeholt wird. Und ich sehe meine Wohnung  im Müll versinken und höre die Japaner sagen: „Typisch, diese Ausländer hausen wie die Tiere, horten ihren Müll in ihrer Wohnung bis es zum Himmel stinkt und locken das Ungeziefer an.“

Testbericht こたつ (Kotatsu)

Endlich habe ich den mir empfohlenen Kotatsu ausprobiert. Die Unterdecke auf dem Tatamiboden ausgebreitet, den Kotatsu draufgestellt, die zweite Decke zwischen die beiden Tischplatten, Stecker in die Steckdose und fertig.
 
Kotatsu mit den vorgesehenen Decken aufgebaut

Das Sofa habe ich direkt dran gestellt und meine Beine verschwanden unter dem Tisch. Tatsächlich ist es unter dem Tisch erstaunlich schnell warm geworden. Als ich die Decke von meinen Beinen hob, um einen Blick unter den Tisch zu erspähen wunderte ich mich warum denn der Tisch von unten beleuchtet ist.
Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass die Heizstäbe unter der Tischplatte glühen – ich war überzeugt, dass unter dem Tisch für ausreichend Wärme gesorgt sei und wollte dieses angenehme Situation zum arbeiten nutzen.

Heizstäbe unter der Tischplatte
 
Im Gegensatz zu den Beinen, die unter dem Kotatsu wohlig warm gehalten werden, muss der Oberkörper mit Decken warm gehalten werden. Da mit den Decken aber nicht im Ansatz eine annähernd ähnliche Temperatur wie unter dem Tisch erzeugt werden kann, ist der Effekt erstmal nicht so überzeugend. Eigentlich ist es doch auch viel wichtige den Oberkörper warm zu halten, oder?

Die angenehme Wärme unter dem Tisch wurde auch schnell zu einer Hitze. Durch diese wurde ich immer weiter unter den Tisch gezogen bis ich eine liegeähnliche Position einnahm und nicht mehr viel von mir unter dem Tisch hervorsah. Die Hitze hatte sich in eine lähmende schwere verwandelt und ich war völlig unfähig noch irgendeinen Gedanken an das Vorgenommene zu verschwenden.

Nach knapp zwei stunden Lethargie zog ich mich benommen mit letzter Kraft unter dem Tisch hervor und schaltete das Höllengerät aus. Beim Umbau des Tisches in den Ursprungszustand ohne Decken fiel mir ein kleiner Regler auf, der offensichtlich zur Temperaturregelung integriert ist. Dieser war selbstverständlich auf das Maximum eingestellt. Ich werde dem Tisch noch eine Chance geben.

Dienstag, 2. November 2010

Onjuku


Zu viel Stadt und zu wenig Natur – das zog mich raus. Raus aus der Stadt. Nach 1,5 Stunden Zugfahrt hatte ich es geschafft. Ich war am Pazifik und konnte wieder durchatmen.
Onjuku liegt in der Präfektur Chiba und erinnert an ein paar Stellen eher an den Orient.






Die Statue zeigt einen Arabischen Prinzen und seine Prinzessin und erinnert angeblich an ein Lied, das von diesem Strand inspiriert wurde. Der Obelisk ist ein Geschenk aus Mexiko und erinnert an die 1609 gestrandeten Seemänner eines Schiffs auf dem Weg von den Philippinen nach zurück nach Mexiko. Die Bewohner des Ortes retteten die Seelmänner. Aus diesem Ereignis ging eine Freundschaft zwischen Onjuku und Mexiko hervor.

Was tun mit ungenutzten USB-Buchsen am Rechner


Auf meinem Streifzug durch die Tokioter Einkaufszentren musste ich vor einer Vitrine stehen beleiben, dessen Inhalt mich für kurze Zeit aus meiner heilen Welt riss.

Ein USB-Stecker, an dem anscheinend ein Servomotor angeschlossen ist und mehr oder wenig lustige Tierchen bewegt. Sinn und Zweck scheint die lustige Entladung eures Notbook-Akkus zu sein. Also zählt eure USB-Buchsen und sagt mir wie viele und welche Produkte ihr braucht ;-)


Frauen mit buschigen Schwänzen

Ein Trend ist hier immer öfter zu sehen - Frauen mit buschigen Schwänzen. Vielleicht unterstreicht es die animalische Seite einer Frau oder es ist einfach nur ein Blickfänger.
Bei mir hat es funktioniert.

Der buschige Schwanz schaut unter der Jacke oder wie in folgendem Video unter dem Rock hervor und baumelt lustig hin und her.

Recherchen über Sinn und Zweck dieses Phänomens sind geplant.




...

Hachiko und Tiger-Shirt

Hachiko

Hachiko ist die vielleicht bekannteste Statue hier in Tokio an der Station Shibuya. Es ist auch der beliebteste Treffpunkt in Shibuya. Jeder scheint sich hier zu verabreden und jeder Tourist der hier vorbeikommt scheint ein Foto mit Hachiko machen zu wollen. Es ist nicht möglich ein Foto alleine mit sich und Hachiko zu machen. In der Regel schleichen sich ein bis zwei Personen während der eigenen Aufnahme in Bild, um das als nächstes Fotomodell zu dienen.

Hier mein Versuch ein Foto mir Hachiko zu machen.



Auch das Tiger-Hemd sollte ein Foto bekommen. Und das war eine große Herausforderung. Es musste jedem erklärt werden, dass es sich hier um eine ganz wichtige und sehr besondere Aufnahm handelt und der der Platz musst für das Foto geräumt werden. Die Menschen kreischten, und wollten immer wieder zum Tiger-Hemd. Doch das Foto gelang und auch das Tigerhemd ist in Japan angekommen.


Hachiko mit Tiger-Shirt

Tiger-Shirt in Japan

Tiger-Shirt in Japan

Das Tiger-Shirt wurde mir von den letzten nordgermanischen Druiden ihrer Art auf meine Reise nach Japan mitgegeben. Es ist in außergewöhnliches Hemd, dessen Charme kaum jemand widerstehen kann.
Daher kann ich es leider auch nur sehr selten tragen. Das Tiger-Shirt löst oft sehr emotionale Reaktionen aus. Vom Kreischen übers Erstarren bis hin zum unkontrollierten Wahnsinnigen Lachen ist alles dabei. Doch seine Anziehungskraft wirkt auf jeden gleich. Jeder möchte es anfassen oder es sogar tragen.



Leider ist die Schrift auf dem Tigerhemd nicht japanisch. Oder vielleicht auch zum Glück. Meine Lehrer konnten es nicht wirklich einordnen. Vielleicht ist es eine alte Zauberschrift, die wenn überhaupt nur noch wenige Menschen lesen können.

Freitag, 29. Oktober 2010

Meine japanische Wohnung


Hier ein paar Eindrücke aus meiner Wohnung. Es ist ein etwas älteres typisch japanisches Haus mit dünnen Wänden, einfach verglasten Fenstern mit Aluminiumrahmen und einer Klimaanlage, die auch als Heizung dient.



Im Eingangsbereich müssen die Schuhe ausgezogen werden und in dem dafür vorgesehenen gefliesten Bereich abgestellt werden.


 Man kommt direkt in die Küche rein. Hier stehen Waschmaschine und hoffentlich bald auch ein Gasherd mit zwei Kochplatten.



Zwei Türen führen zum Bad und zur Toilette. Im Bad gibt es eine sehr kleine Badewanne. Geduscht wird allerdings außerhalb der Wanne, sodass das gesamte Bad nach einer Dusche nass ist. Die Schicken Lamellenfenster haben den Vorteil, dass sie noch ein etwas weniger dicht sind als die übrigen undichten Fenster. Auch bei geöffneten Lamellen braucht das Bad in etwa zwei Tage um zu trocknen, da die Luft außerhalb der Wohnung oft bereits mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Es gibt auch Toilettenbadeinheiten hier, die wie aus einem Guss wirken und an eine Flugzeugtoilette erinnern. Im Erdbebenfall soll diese Plastikbox ein guter Zufluchtsort sein.


Die Toilette ist ein kleines Wunderwerk der Technik. Verschiedene Knöpfe erlaben die Einstellung von Toilettenbrillentemperatur sowie Wassertemperatur für die Bidet-Funktion.
Natürlich lassen sich auch Wasserdruck, Ausrichtung der Föhn bedienen. Geschlechtsabhängig kann auch die Düse gewechselt werden. Testbericht und folgt …


 
Eine Glas-Schiebe-Wand trennt die Küche von meinem Arbeitszimmer. Hier stehen Schreibtisch, Kleiderschrank und Kühlschrank. In der Küche gab es leider nur noch einen Platz für die Waschmaschine. Abgesehen von ein paar ungewöhnlich weichen Stellen im Fußboden ist es ein gewöhnliches Zimmer ohne Fenster. An dem Lichtdesign lässt sich auch noch einiges verbessern und ein Regal würde auch noch neben den Schreibtisch passen.




 
Eine weitere Glas-Schiebe-Tür trennt das Arbeits- vom Wohn- und Schlafzimmer. Ein Tatamizimmer mit großem Wandschrank. Hier wird auf dem Boden geschlafen und gesessen. Ein bequemes Sofa auf dem Boden steigert den Komfort und eine kleine Stehlampe sorgt für das Ambiente. Der kleine Tisch こたつ (Kotatsu) besitzt zwei aufeinander liegende Tischplatten und einen eingebautem Heizlüfter unter der Tischplatte. Wenn es hier kalt wird, wird eine Decke unter den Tisch auf die Tatamimatten gelegt. Zwischen die beiden Tischplatten wird eine dicke Decke gelegt, die dann von dem Tisch auf den Boden herunterhängt und mit der Decke unter dem Tisch abschließt. Wird der Heizlüfter unter dem Tisch eingeschaltet entsteht ein warmer Raum unter dem Tisch und gegen die Auskühlung des Unterleibes ist Abhilfe geschaffen. Der Oberkörper muss mit weiteren Decken warm gehalten werden. Soviel zur Theorie, ausprobiert habe ich es noch nicht. Aber wenn es hier noch kälter wird, folgt der erste Testbericht in Kürze.

 

Dann habe ich noch eine Terrasse. Hier wird je nach Wetter an einer „Kleiderstange“ die Wäsche an der minimal trockeneren Luft getrocknet, oder durch den Regen nochmals nachgespült. Im Falle eines schönen Tages, an dem hier keine Wäsche hängt, kann ich auch versuchen meinen eigenen Rekord in Mückenstichen über die Zeit zu brechen. Der derzeitige Rekord liegt bei fünf Stichen in 60 Sekunden. Allerdings scheinen die Bedingungen für neue Rekorde schlechter zu werden.

Sonntag, 19. September 2010

Das schwarze Notizbuch

Mein Hotel war voll und ich musste auschecken. Freundlicherweise wurde mir ein Zimmer in dem gleichnamigen Hotel in einem anderen Stadtteil Tokios reserviert – in Ikebukuro. So grob wusste ich auch wann ich wo mit der U-Bahn wo umsteigen musste um dort anzukommen. Allerdings muss ich beim Umsteigen furchtbar hilflos ausgesehen haben, als mich ein älterer Japaner ansprach. Er wusste sofort was zu tun war. Den hilflosen überforderten Ausländer musste jemand an die Hand nehmen. Ich sprach kein Japanisch, er sprach nur Japanisch – die Konstellation war perfekt. Ich zeigte ihm auf dem U-Bahnplan wo ich hin musste, er zeigte mit dem Finger auf seine Nase und anschließend winkte er mit der Hand in eine Richtung. Er ging wenige Meter vor, drehte sich zu mir um und schaute mich erwartungsvoll an. Ich hatte verstanden, mein Auftrag lautete: folge diesem Mann.
Der Mann war ca. 160 cm groß, sehr schmächtig, hatte ein ehrliches Lächeln auf den Lippen und strahlte Freundlichkeit aus. Er hatte etwas von einem hageren Mr. Miyagi.
Trotz einer fehlenden gemeinsamen Sprache kamen wir ins Gespräch. Mr. Miyagi zeigte erneut auf seine Nase und legte anschließend den ausgestreckten Zeige-, Mittel- und Ringfinger der rechten Hand auf die Innenfläche seiner linken Hand und sagte dabei etwas auf Japanisch. Ich verstand, dass er mir sein Alter nannte, aber ich brauchte weitere 30 Sekunden um die Zahl zu entschlüsseln. Er war 81. Ich weiß nicht wie alt der echte Mr. Miyagi war als er Daniel-san trainierte, aber auf 81 Jahre hätte ich weder den einen, noch den anderen Mr. Miyagi geschätzt. Ob er verstanden hatte, dass ich ihm sagte er sähe viel jünger aus weiß ich nicht, aber er freute sich. Mr. Miyagi freute sich auch als ich ihm mein Alter verriet. Unsere Situation wurde durch Mr. Miyagi weiter aufgelockert als er einen Pantomimischen Witz machte und ich lächelte – er schien ein lustiger, hilfsbereiter und sehr fröhlicher Japaner zu sein.
Wir waren inzwischen an den Einlassautomaten für die nächsten Linien angelangt. Mr. Miyagi blieb stehen und zückte ein kleines schwarzen A6 Notizheft aus seiner Brusttasche. Kein Hightech-Mobiltelefon, iPhone oder PDA, ein kleines schwarzen A6 Notizbuch.
Er wiederholte leise meinen Zielort, warf einen kritischen Blick in sein Notizbuch und nannte mir die Nummer 15. Ich bedankte mich höflich auf Japanisch.
Kurz darauf bat er mich Namen und Alter in sein Notizbuch einzutragen und ich las in dem Notizbuch, dass der freundlichte kleine Japaner bereits vielen Menschen weitergeholfen haben musste – ich trug auch meine Daten in die Liste ein und bedankte mich erneut. Mit einem Lächeln auf den Lippen verabschiedeten wir uns und ich folgte der Nummer 15 zum zur Yamamoto Line.