Donnerstag, 20. Januar 2011

Emillie Brunelle und die Jedi-Ritter

Die Theorie, dass das Betätigen der Fahrradklingel eine äußerst offensive und somit sehr unhöfliche Handlung sei fand ich etwas merkwürdig. Das Quietschen einer Bremse dagegen sei nur das Nebengeräusch einer notwendigen Handlung. Auch wenn es durch die Anwesenheit eines Fußgängers vor dem Radfahrer ausgelöst wird, ist das Quietschen einer Bremse allerhöchstens ein indirektes auf sich Aufmerksam machen. Und da der Austausch unter Japanern in der Regel auf indirekter Kommunikation beruht liegt die Theorie der Unhöflichkeit durch direktes Klingeln doch auf der Hand.
Für mich war diese Theorie aus der Luft gegriffen und stellte den Sinn einer Klingel komplett in Frage.

Ich kaufte mir von einem deutschen Bekannten ein altes, gebrauchtes und sehr günstiges Fahrrad. Es hatte wohl schon öfters seinen Besitzer gewechselt doch gemeldet sei es noch immer auf den Namen einer Frau, die schon seit Jahren nicht mehr in Tokio lebt.
In Tokio muss jedes Fahrrad angemeldet werden und ist mit einer Art Nummernschild zu identifizieren. In einer Fahrradkontrolle der Polizei wird sowohl der Fahrradhalter als auch die Verkehrssicherheit des Vehikels überprüft.
Ist das Fahrrad als gestohlen gemeldet, kann der aktuelle Fahrer auch schon mal ins Gefängnis geführt werden.

Mein Fahrrad


Auf meiner ersten Fahr mit meinem „neuen“ Fahrrad vom Vorbesitzer zu mir nach Hause, begleitete mich der bisherige Besitzer ein paar Meeter. Schnell merkte ich, dass das Geräusch aus der Trommelbremse am Hinterrad lauter war als meine Klingel. Ein Klingeln war nicht mehr nötig, da ich schon von weitem zu hören war. Nach ungefähr einem Kilometer Fahrt erkannte ich zwei Leuchtschwerter, die uns zu verstehen gaben, dass wir anhalten sollten. Zwei Polizisten in Uniform, mit Helm und Leuchtschwert (siehe Abbildung) hielten uns an. Die Leuchtschwerter erinnerten mich an Jedi-Ritter. Ich war fasziniert und wartete darauf, das einer der beiden sagte: „Luke, …“, einatmen…ausatmen…, „... ich bin dein Vater…“. Doch es wurde japanisch gesprochen und keiner von beiden hörte sich an wie Darth Vader. Es war eine schlichte Fahrradkontrolle.
Licht und Klingel wurden überprüft. Und dann der Name des Fahrzeughalters. War es Emilie Braun? - Ich hatte ihn vergessen. Zum Glück wusste der ehemalige Besitzer des Rades sich fließend auf Japanisch auszudrücken. Er erklärte, dass es das Rad einer Freundin sei. Ihr Name sei Emillie Brunelle. Die Polizisten gaben die Nummer meines Fahrrads ein. Die Zeit schien still zu stehen. Ein skeptischer Blick. Dann ein Lächeln. Wir durften weiterfahren. Emillie Brunelle, Emillie Brunelle, Emillie Brunelle den Namen darf ich nicht noch einmal vergessen.


Abbildung ähnlich


In den nächsten Tagen genoss ich es auf meinem Fahrrad durch Tokio zu fahren. Auch die Klingel probierte ich aus. Allerdings war die Reaktion auf das Klingeln einer Fahrradklingel überraschend. Die Passanten blieben wie angewurzelt stehen und bewegten sich nicht vom Fleck bis mein Fahrrad vorbeifuhr. Sie schauten mich auch nicht an. Ob sie das Geräusch nicht kannten und vor Schreck oder vor Entrüstung über dieses offensive und unverschämte Klingeln erstarrten weiß ich nicht. Aber die Klingel betätig ich nicht mehr.